Zur heutigen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) ĂŒber die EntschĂ€digungsregelungen fĂŒr Atomkonzerne erklĂ€rt die SPD-Bundestagsabgeordnete Dr. Nina Scheer:
âAuch mit dem Beschluss des BVerfG ĂŒber die Ănderungen des Atomgesetzes von 2018 zu EntschĂ€digungen von Atomkraftwerksbetreibern gilt der Ausstieg im Jahr 2022 fort und ist nicht verhandelbar. Eine Neuregelung zu Reststrommengen darf und wird zu keiner Atomstromgewinnung nach 2022 fĂŒhren. Im Zweifel werden weitere EntschĂ€digungen zu leisten sein.
Dies und der Beschluss des BVerfG insgesamt offenbaren erneut, wie unverantwortlich die von Schwarz-Gelb im Jahr 2010 beschlossenen LaufzeitverlĂ€ngerungen waren. Der einst unter Rot-GrĂŒn beschlossene Atomausstieg hatte ĂŒber viele Jahre Bestand und wurde vom BVerfG als verfassungskonform bestĂ€tigt. Er stellte Weichen fĂŒr einen energiewirtschaftlichen Systemwandel und schuf Planungsperspektiven auch fĂŒr Erneuerbare Energien. Mit der LaufzeitverlĂ€ngerung vom 28.10.2010 verwarf Schwarz-Gelb diesen Energiewende-Weg, ohne dass es hierfĂŒr eine energiewirtschaftliche Notwendigkeit gegeben hĂ€tte. Mit den LaufzeitverlĂ€ngerungen wurde zudem ein Mehr an Risiken und ein Mehr an AtommĂŒll in Kauf genommen. Allein die Atomkatastrophe von Fukushima im MĂ€rz 2011 veranlasste Schwarz-Gelb zum rot-grĂŒnen Atomausstieg zurĂŒck zu kehren.
Schwarz-Gelb hat der Allgemeinheit durch diesen Zick-Zack-Kurs ein Milliardengrab an EntschÀdigungspflichten und Rechtsstreitigkeiten hinterlassen. Wenn daraus nun mit dem Beschluss des BVerfG eine noch höhere EntschÀdigungslast resultiert, zeigt dies erneut, wie gemeinwohlschÀdlich und verfehlt die schwarz-gelbe Entscheidung zu Atomkraftwerk-LaufzeitverlÀngerungen war.
Auch in Bezug auf das Atomkraftwerk KrĂŒmmel sind nun erneut EntschĂ€digungsfragen offen. Auch wenn das BVerfG den BeschwerdefĂŒhrern, darunter Vattenfall, sachlich Recht gab, so bleibt zugleich festzustellen, dass Atomkonzerne ihrerseits ĂŒber all die Jahre ohne Unterlass die gerichtliche Anfechtung des gesetzlichen Atomausstiegs in all seinen Regelungsbereichen suchten. Auch dies ist und bleibt Teil des Atomausstiegs, der trotz allem als solcher verfassungskonform bzw. verfassungsgerichtlich bestĂ€tigt ist.â
Nina Scheer hatte sich im Zuge der Atomgesetz-Novelle 2018 unter anderem dafĂŒr ausgesprochen, die Ăbertragung von Reststrommengen in âNetzausbaugebieteâ (Gebiete, in denen wie in ganz Schleswig-Holstein eine Ăberlastung der Stromnetzte unterstellt wird und deswegen der Ausbau von Windenergie eingeschrĂ€nkt wurde), zu untersagen und ĂŒber den EntschĂ€digungsweg zu regeln. Es könne nicht sein, dass Atomstrom die Netze verstopft, insbesondere in sogenannten Netzausbaugebieten, zu denen auch Schleswig-Holstein zĂ€hlt (Pressemitteilung vom 8.6.2018). Denn in eben diesem Netzausbaugebiet werde bereits heute Windstrom abgeregelt, könne also nicht genutzt werden. Mit einer EinschrĂ€nkung der Ăbertragung von Reststrommengen auĂerhalb von Netzausbaugebieten und entsprechende EntschĂ€digungen hĂ€tte verhindert werden können, dass weiterer Windstrom abgeregelt bzw. weggeworfen wird. Dem dahingehenden Vorschlag von Nina Scheer wurde damals nicht entsprochen.
Der damalige Landesumweltminister Robert Habeck hatte dies ebenfalls eingefordert, allerdings in Rahmen von Verhandlungen mit den Atomkraftwerksbetreibern ânachâ der Atomgesetznovelle von 2018. Entsprechende Verhandlungen wurden dann aber nicht aufgenommen.
Die SPD-Bundestagsabgeordnete Dr. Nina Scheer ist Mitglied im Ausschuss fĂŒr Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit, Mitglied im Ausschuss fĂŒr Recht und Verbraucherschutz sowie stellvertretende Vorsitzende des Parlamentarischen Beirats fĂŒr nachhaltige Entwicklung. Sie vertritt seit 2013 den Bundestagswahlkreis Herzogtum Lauenburg/Stormarn-SĂŒd, Schleswig-Holstein. FĂŒr die SPD-Bundestagsfraktion ist sie u.a. Berichterstatterin fĂŒr Atomenergie und Endlagersuche.
Als Initiatorin des âSozialdemokratischen Energiewende-Appellsâ, www.energiewende-appell.de, plĂ€diert sie mit inzwischen ca. 1600 MitunterzeichnerInnen fĂŒr einen Kohleausstieg bis 2030 und einen zu beschleunigenden Ausbau und Umstieg auf Erneuerbare Energien. Zu weitergehenden Forderungen vgl. aktuell auch: https://energiewende-appell.de/wp-content/uploads/2020/10/2020-10-30-EEG-Forderungen-Aenderungspunkte_final.pdf