Steigende Zahlen in Stormarn und dem Kreis Herzogtum Lauenburg
Im gesamten Schuljahr 2022/23 waren 4.325 Personen befristet als Vertretungslehrkräfte an den Schulen in Schleswig-Holstein eingestellt. Allein am Stichtag am 1. Oktober 2023 waren es mehr: 4.487 – davon 3.127 ohne abgeschlossene Lehramtsausbildung. Immer mehr Lehrkräfte ohne abgeschlossene Lehramtsausbildung unterrichten an den Schulen. Diese Entwicklung lässt sich auch in den Kreisen Stormarn und Herzogtum Lauenburg beobachten: Waren es im letzten Schuljahr in Stormarn noch 194 Vertretungslehrkräfte ohne abgeschlossene Lehramtsausbildung, davon 68 an den Grundschulen, stieg ihre Zahl im aktuellen Schuljahr bislang auf 309, davon 124 an den Grundschulen (+59 Prozent, an den Grundschulen +82 Prozent). Im Kreis Herzogtum Lauenburg gab es eine Steigerung um 69 Prozent von 138 auf 233. Martin Habersaat, bildungspolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion und Abgeordneter aus Reinbek, hatte diese Zahlen im Bildungsministerium per Kleiner Anfrage erfragt (in der Tabelle verlinkt). Er sagt: „Wir sind froh, dass wir diese Menschen haben, weil unsere Schulen ihre Arbeit sonst schlicht nicht mehr schaffen würden. Aber wir müssen über die Zahl der Vertretungslehrkräfte und über ihre Arbeitssituation offen reden.“ Das sei nicht immer einfach, weil die Schulen dazu vom Bildungsministerium „nicht gerade ermuntert“ würden und um ihren Ruf fürchteten.
Habersaat weiter: „Die Zahl der Lehrkräfte ohne abgeschlossene Ausbildung an unseren Schulen steigt, inzwischen sind 10,4 Prozent der Lehrerinnen und Lehrer an unseren Schulen gar keine richtigen Lehrer, an den Grundschulen 15,9 Prozent (Zahlen aus dem letzten Bericht zur Unterrichtssituation). Das ist der Durchschnitt. Wir finden im Land heute Schulen, bei denen die Hälfte des Kollegiums aus Menschen besteht, von denen wir froh sind, dass es sie gibt, die aber eben keine fertig ausgebildeten Lehrerinnen und Lehrer sind.“ Besonders Kiel, Flensburg und ihr Umland greifen bei Vertretungen auf Lehramtsstudierende zurück. Anderswo im Land helfen Menschen mit anderen Berufsabschlüssen. Für diese verlangt die SPD-Landtagsfraktion, weil sie langfristig gebraucht würden, Weiterbildung vom ersten Tag und planbare Wege in den Schuldienst. „Momentan ist es absurderweise in der Regel so: Die Vertretungslehrkräfte dürfen alles tun, auch Klassenlehrkraft sein, und werden nach fünf Jahren an die Luft gesetzt, da sie sich dann auf eine unbefristete Stelle im Schuldienst klagen könnten. Dann werden sie durch neue Vertretungskräfte ersetzt, die auch keine Lehramtsausbildung und keine fünf Jahre Erfahrung haben.“
Die SPD-Landtagsfraktion hatte deshalb zu einem „Runden Tisch Vertretungslehrkräfte“ eingeladen und mit mehr als 70 Teilnehmerinnen und Teilnehmern einen Landtagsantrag entwickelt, der jetzt ins Verfahren eingebracht wurde und im Juli auf die Tagesordnung des Landtags kommen soll (Drucksache 20/2233). Kernelemente sind eine verbindbliche Basisqualifikation für die Vertretungslehrkräfte vom ersten Tag an und langfristige Weiterbildungsperspektiven für alle, die sich bewähren.
Einige weitere kommentierende Bemerkungen:
- Die hohe Zahl an Vertretungslehrkräften belastet natürlich die „regulären“ Kolleg*innen, die immer wieder neu Kräfte anlernen müssen, dafür aber (entgegen eines Versprechens aus dem Koalitionsvertrag) keine Ressourcen bekommen.
- Solange sie beschäftigt sind, dürfen Vertretungslehrkräfte fast alles machen. So kommt es vor, dass Studierende im Bachelor Studierende in der Master-Phase betreuen, wenn diese ihr Schulpraktikum machen.
- Immer wieder gibt es dramatische Einzelfälle: Eine studierte Musikpädagogin darf nicht an der Grundschule bleiben, weil sie keine Grundschullehrerin ist. Nun wird an der Schule kein Musik mehr unterrichtet und Hamburg freut sich über eine Musiklehrerin mehr. Eine studierte DaZ-Lehrkraft unterrichtet DaZ an einer Beruflichen Schule. Aber vielleicht nicht mehr lange, weil sie keine Berufsschullehrerin ist und DaZ in Schleswig-Holstein nicht als Fach gilt.
- Je weiter weg von Kiel und Flensburg, desto schwerer, Absovent*innen der dortigen Hochschulen einzustellen. Und natürlich ist die Nähe zu Hamburg auch ein Standortnachteil, da Hamburg verlässlicher einstellt, ein für viele Lehrkräfte attraktiveres Arbeitszeitmodell anbietet und auch in vielen anderen Bereichen bildungspolitisch gerade davoneilt·
- Studie zum Lehrkräftemangel: https://www.martinhabersaat.de/2022/06/15/studien-und-politik-lehrkraeftemangel-in-den-kommenden-jahren/
Auswertung nach Kreisen/ kreisfreien Städten
Nicht vollausgebildete Lehrkräfte 2022/23
Stichtag 7.10.23, |
Nicht voll ausgebildete Lehrkräfte 2023/24
Stichtag 1.10.2023, |
|
Dithmarschen | 125 (60 an Grundschulen) | 144 (58) |
Flensburg | 94 | 105 |
Lübeck | 196 | 213 |
Steinburg | 120 (69 an Grundschulen) | 138 (74) |
Kiel | 212 (74 an Grundschulen) | 253 (99) |
Nordfriesland | 134 | 120 |
Neumünster | 113 | 130 |
Stormarn | 194 (68 an Grundschulen) | 309 (124) |
Ostholstein | 66 | 142 |
Pinneberg | 301 (114 an Grundschulen) | 411 (176) |
Plön | 74 | 143 |
Rendsburg-Eckernförde | 174 | 259 |
Herzogtum Lauenburg | 138 | 233 |
Segeberg | 290 | 372 |
Schleswig-Flensburg | 142 | 155 |
2.373
V-Lehrkräfte gesamt: 3.338 (Differenz zu 4.325, weil am Stichtag weniger Vertretungslehrkräfte eingestellt waren als insgesamt im Schuljahr) |
3.127
V-Lehrkräfte gesamt: 4.487 |