Martin Habersaat berichtet von der 16. Bundesversammlung
Frank-Walter Steinmeier wird der zwölfte Präsident der Bundesrepublik Deutschland. Er erhielt 931 von 1239 gültigen Stimmen. Erstmals bei einer Bundesversammlung dabei war Martin Habersaat, Landtagsabgeordneter aus Reinbek und stellvertretender Vorsitzender der SPD-Landtagsfraktion. Er berichtet über ein Wochenende, das er so zusammenfasst: „Es war spannend und eine Ehre, bei dieser Bundesversammlung dabei sein zu dürfen. Ich glaube, wir haben die Chance, zwei hervorragende Bundespräsidenten hintereinander zu erleben. Herzlichen Glückwunsch, Frank-Walter Steinmeier!“
Nach einem Mittagempfang in der Landesvertretung Schleswig-Holsteins beginnt am Samstag das Programm im Bundestag. Um 18.00 Uhr steht eine Fraktionssitzung auf den Plan, die zunächst mehr einem sozialdemokratischen Klassentreffen gleicht: Bundes- und Landtagsabgeordnete, Bundes- und Landesministerinnen und -minister, auch die zahlreichen prominenten Wahlmänner und Wahlfrauen – etwa der Sänger Roland Kaiser, die Schauspielerin Iris Berben oder der Youtube-Star Julien Bam – sind schon dabei und haben sich viel zu erzählen. Nach einer Begrüßung durch Thomas Oppermann, dem Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion, unterstreicht der scheidende SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel den Wert der Demokratie und den Stellenwert der SPD in der bundesdeutschen Demokratie. Nach Friederich Ebert, Gustav Heinemann und Johannes Rau wird Frank-Walter Steinmeier der vierte Sozialdemokrat an der Spitze des Staates sein. Der hält eine kurze Rede und verabschiedet sich dann, um auch andere Fraktionen zu besuchen. Abends feiert die SPD im Berliner Westhafen, einer alten Lagerhalle an der Spree. Roland Kaiser singt live, später sogar einen Hit von Udo Jürgens („Ich war noch niemals in New York“).
Am Sonntag dient die Fraktionssitzung eher dem Zählappell, bevor Kanzlerkandidat Martin Schulz die Möglichkeit nutzt, die SPD auch auf die kommenden Wochen und Monate einzustimmen. Anke Rehlinger (Saarland), Torsten Albig (Schleswig-Holstein) und Hannelore Kraft (Nordrhein-Westfalen) werden als die Spitzenkandidaten der Partei bei den kommenden Landtagswahlen besonders herausgestellt. Extra begrüßt wird auch Lars Harms, der Wahlmann des SSW, der traditionell als Gast zur SPD-Fraktionssitzung bei Bundesversammlungen eingeladen ist. „Das Jahr der SPD?“ hat die „Welt am Sonntag“ anlässlich der Bundespräsidentenwahl und der seit der Nominierung von Martin Schulz steigenden Umfragewerte getitelt. Martin Schulz ruft dazu auf, bis zum 24. September aus dem Fragezeichen ein Ausrufezeichen zu machen.
Die Platzvergabe in der Bundesversammlung ist klar geregelt und nach Fraktionen sortiert. Die Fraktionen haben die vorderen Reihen für Parteivorsitzende, Bundesminister und Bundesministerinnen, Ministerpräsidenten und -präsidentinnen und prominente Wahlleute reserviert. Weiter hinten ist freie Platzwahl. Franz Müntefering als ehemaliger SPD-Vorsitzender dürfte vorne sitzen, möchte aber lieber bei seiner Frau, der Bundestagsabgeordneten Michelle Müntefering, sitzen. Er setzt sich hinter die Schleswig-Holsteiner SPD-Delegation und scherzt: „Ich bin hinter euch, dann habt ihr den Rücken sicher“. Um 12 Uhr wird die Bundesversammlung eröffnet durch den Bundestagspräsidenten Norbert Lammert. Er findet deutliche Worte der Kritik an einer Politik nationalstaatlicher Egoismen. Das kann als Kritik an Donald Trump verstanden werden, in Teilen aber auch als Kritik an Horst Seehofer.
Einen Farbkleks liefert Olivia Jones, für die Hamburger Grünen dabei, mit ihrer orangefarbenen Perücke. Schön, dass Deutschland bunt ist. Sie liefert einen willkommenen Gegensatz zum eher uniformen AfD-Block, der rechts außen im Plenarsaal Platz genommen hat und viele der gemeinsamen Werte ablehnt. Kein Dank für den scheidenden Präsidenten Joachim Gauck, kein Einsatz für das Friedenswerk Europa.
Die Kandidaten stellen sich nicht vor, auch eine Aussprache ist nicht vorgesehen. In alphabetischer Reihenfolge werden die über 1.000 Wahlfrauen und Wahlmänner zur Wahl aufgerufen. Das braucht eine Weile. Auch die anschließende Auszählung dauert. Zeit, die für Unterhaltungen und Erinnerungsfotos genutzt werden kann. Schließlich wird das Ergebnis verkündet, ein sichtlich bewegter Frank-Walter Steinmeier nimmt die Wahl an und winkt seiner Frau und seiner Mutter auf der Tribüne. Dann hält er seine erste Rede nach der Wahl und ruft zu Mut und Hoffnung auf. Deutschland habe in seiner Geschichte gezeigt, dass auf Krieg Frieden und auf Verblendung Vernunft folgen kann. Deutschland habe schon einmal die Lockrufe derer, die auf Fremdenhass setzen, überwunden und er sei sicher, das werde Deutschland auch heute. „Wenn wir anderen Mut machen wollen, dann brauchen wir selber welchen!“
Den Abschluss bildet ein Empfang des Präsidenten des Deutschen Bundestages im benachbarten Paul-Löbe-Haus.
Fotos:
Martin Habersaat, Olivia Jones und Anjes Tjarks (Fraktionsvorsitzender der Grünen in der Hamburger Bürgerschaft; absolvierte wie Martin Habersaat sein Abitur am Gymnasium Marienthal)
Martin Habersaat und Peter Maffay
Martin Habersaat und Frank-Walter Steinmeier
Serpil Midyatli (auch eine stv. Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion Schleswig-Holstein) und Jogi Löw
Martin Habersaat und Reiner Sass