
âGesundheit steht ganz klar vor Bildung.â ist zu Ende gedacht ein rigider Satz, den ich nicht teile.“ Mit diesem Satz hat Bildungsministerin Karin Prien auf Twitter einen Sturm entfacht. Eine Lehrkraft schreibt: âMachen Sie die Schulen auf… kein Problem! Ich unterrichte alles weg und wĂŒrd gerne wieder „normalen“ Unterricht machen. Aber nachher kein Gejammer, wenn die Zahlen zu Ostern wieder steigen und man sich ĂŒberlegen kann, wie das bloĂ sein kann? Im Ăbrigen bitte wöchentliche Tests.â Und ein Kinderpsychotherapeut: âFrau Prien, Ihre ĂuĂerung ist ungeheuerlich. Bildung steht fĂŒr Sie allen Ernstes vor Gesundheit? Ihnen ist klar, dass d i e s zu Ende gedacht bedeutet, dass Sie Leben opfern wollen. Sie verletzen die WĂŒrde des Menschen. Treten Sie schnellsten zurĂŒck.â Nicht zum ersten Mal ist der Bildungsministerin in der Corona-Krise die Kommunikation entglitten.
Dazu sagt Martin Habersaat, bildungspolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion: âKarin Prien ist die Bildungsministerin, die im letzten Sommer Schlagzeilen machte, als sie zeitgleich lungenranke LehrkrĂ€fte trotz Corona-Krise in den PrĂ€senzunterricht klagte und das Anordnen von Masken im Unterricht ablehnte. Aus diesem Anlass gab es aus der SPD ĂŒbrigens erstmals RĂŒcktrittsforderungen, seinerzeit vorgetragen von Ralf Stegner. Karin Prien ist auch die Bildungsministerin, die ausweislich der Antwort auf eine kleine Anfrage nicht mit den SchultrĂ€gern darĂŒber geklĂ€rt hat, in welchen RĂ€umen Luftfilter erforderlich sind. Karin Prien ist auch die Bildungsministerin, die Schnelltests fĂŒr LehrkrĂ€fte oder SchĂŒler*innen fĂŒr als teuer und zu wenig hilfreich ablehnt. Karin Prien ist auch die Bildungsministerin, die im Landtag ein reduziertes, auf PrĂŒfungen konzentriertes Programm fĂŒr die AbschlussjahrgĂ€nge in kleinen Gruppen ankĂŒndigt, um dann den Schulen gegenĂŒber âPrĂ€senzunterricht gemÀà Stundentafel im Rahmen der vor Ort ĂŒblichen Zeitstrukturâ anzuordnen. Das daraus entstandene Chaos nahm Serpil Midyatli zum Anlass, den MinisterprĂ€sidenten an seine Verantwortung zu erinnern.â
Der MinisterprĂ€sident und Karin Prien gehören allerdings beide der Jamaika-Koalition an, die lange die SPD-AntrĂ€ge zur Verbesserung der Situation in den ĂŒberfĂŒllten Schulbussen ablehnte und die auch den SPD-Antrag zur kostenlosen Verteilung von FFP2-Masken ablehnte. âWelche Hoffnung sollen LehrkrĂ€fte, Eltern und SchĂŒler also noch haben?â, fragt Habersaat. Was es jetzt brauche, sei ein Neustart in der Bildungspolitik. Personell und inhaltlich. Zum inhaltlichen Neustart gehöre die Feststellung, dass Gesundheit und Bildung nicht gegeneinander gestellt werden. Das gehe mit fĂŒnf Eckpunkten, die Martin Habersaat so umreiĂt:
â1. Das EingestĂ€ndnis, dass das Schuljahr 2020/21 nicht ânormalâ zu Ende gehen wird. Das muss Konsequenzen haben fĂŒr den Umgang mit der PrĂ€senzpflicht, fĂŒr den Umgang mit StundenplĂ€nen und fĂŒr die GröĂe von Lerngruppen. Konkret: Es wird der Verantwortung der Eltern ĂŒberlassen, ob ihre Kinder in die Schule sollen. Gehen sie in die Schule, treffen sie dort in kleinen Gruppen aufeinander. Der regulĂ€re Stundenplan wird nicht mehr eingehalten.
2. Die Bereitschaft, die SchultrĂ€ger bei der Entwicklung von Hygienekonzepten nicht allein zu lassen. BelĂŒftungsmöglichkeiten, Luftfilter, zusĂ€tzliche RĂ€ume, geteilte Klassen â alle Möglichkeiten mĂŒssen auf den Tisch.
3. Die FĂŒrsorge, Lehrerinnen und Lehrer bei der Entwicklung paralleler PrĂ€senz- und Distanzangebote nicht alleine zu lassen. Es kann nicht dieselbe Lehrkraft sein, die eine halbe Klasse in PrĂ€senz unterrichtet und die andere HĂ€lfte in Distanz.
4. Die Neuaufstellung der Teststrategie. Wo sich viele Menschen auf engem Raum treffen, und dazu zĂ€hlen Schulen auch nach den oben beschriebenen MaĂnahmen, muss getestet werden.
5. Die RĂŒcknahme des Neins von Jamaika zu FFP2-Masken. Wer sich an der Schule zu PrĂ€senzangeboten trifft, muss auch eine FFP2-Maske angeboten bekommen.â