Seit 2006 werden alle zwei Jahre die Entwicklungen im deutschen Bildungswesen in einem nationalen Bildungsbericht dokumentiert. Der jüngste Bildungsbericht stammt von 2020 und wurde vom Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation nun auch auf die einzelnen Länder heruntergebrochen. Martin Habersaat, Landtagsabgeordneter aus Reinbek und bildungspolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, hat sich den Bericht angesehen und vor allem nach Handlungsnotwendigkeiten für Schleswig-Holstein und Besonderheiten in den Kreisen Stormarn und Herzogtum Lauenburg gesucht. Sein Fazit: „Der Bericht macht deutlich, was in Schleswig-Holstein liegengeblieben ist und wo Schwerpunkte der nächsten Landesregierung liegen müssen.“ Durch die steigenden Bevölkerungszahlen und neue Anforderungen an Ganztagsangebote sieht er die Chance, die „Schule der Zukunft“ auch baulich zu erreichen.
Digitalisierung
Derzeit hängt es noch vielfach vom Zufall ab, ob und welche digitalen Angebote Schülerinnen und Schüler vorfinden. Hat der Schulträger sich gekümmert? Haben engagierte Kolleg*innen ein Konzept für die Schule erstellt und umgesetzt? Habe ich eine Fachlehrkraft, die die Möglichkeiten des digitalen Lernens nutzt? Habersaat: „Bei allen -teilweise durch die pandemische Lage erzwungenen- Fortschritten bleibt festzustellen: Schleswig-Holstein hat viele Mittel aus dem Digitalpakt noch nicht abgerufen. Das liegt vor allem daran, dass jede Schule ein individuelles Konzept entwickeln und das Rad jeweils vor Ort neu erfunden werden soll. Kein Bundesland geht beim Digitalpakt so unfreundlich mit den Schulträgern um wie Schleswig-Holstein, was das Aufbringen von Eigenbeteiligungen und den Einsatz von Landesmitteln angeht.“ Den Anschluss aller Schulen im Land an das Glasfasernetz habe die letzte Landesregierung konzipiert und begonnen. Jamaika habe das Ziel immerhin weiterverfolgt, wenn auch mit einem nach hinten verschobenen Enddatum.
Ganztag und Chancengleichheit
2005/06 lag Schleswig-Holstein bei Ganztagsangeboten über dem Bundesschnitt, 2019/20 darunter. Während andere Bundesländer in großen Schritten ihre Ganztagsangebote ausgebaut haben, waren diese Schritte im Norden deutlich kleiner. Habersaat: „Möglicherweise hängt damit der alarmierende Befund zusammen, dass 10 Prozent aller Schülerinnen und Schüler in Schleswig-Holstein die Schule ohne Ersten allgemeinbildenden Schulabschluss (ESA) verlassen, bundesweit sind es nur 6 Prozent. Die Mehrheit dieser Abgänger*innen holt den Abschluss dann nicht mehr nach – auch hier gilt es mit neuen Angeboten anzupacken, auch mit einer Reform des Weiterbildungsgesetzes.“
Die Schule der Zukunft
Vor allem im Süden des Landes, also auch in den Kreisen Stormarn und Herzogtum Lauenburg, werden die Bevölkerungszahlen steigen (S.4.). Auch die Rückkehr zu G9 an den Gymnasien und die Einführung des Rechts auf Ganztagsbetreuung in der Grundschule werden bauliche Notwendigkeiten schaffen. Es wird also an und in den Schulen gebaut werden müssen. „Das ist eine große Chance, die genutzt werden muss“, findet Habersaat. „Man muss den Schulen ansehen, wie wichtig uns Bildung ist. Und man muss ihnen ansehen, dass Bildung in der Wissensgesellschaft anders erworben werden kann als zu Zeiten der Industriegesellschaft vor über 100 Jahren.“
Stormarn und der Kreis Herzogtum Lauenburg
Ungewöhnlich im Kreisvergleich ist der Umstand, dass in Stormarn fast doppelt so viele Gemeinschaftsschulen mit Oberstufen existieren als ohne Oberstufe. Hier gibt es für die Jugendlichen mehr Gelegenheiten, eine Hochschulzugangsberechtigung zu erwerben (S.8). Zusätzliche Möglichkeiten bieten die Beruflichen Schulen in Ahrensburg und Bad Oldesloe. Während in den Kreisen Dithmarschen und Stormarn vier von fünf Abschlüssen von allgemeinbildenden Schulen stammen, ist der Anteil der beruflichen Schulen insbesondere in den Städten sehr hoch (S.50).
Im Kreis Herzogtum Lauenburg ist die Schüler*innenzahl an den Gemeinschaftsschulen in den vergangenen Jahren besonders stark gestiegen (S.7). Mit dem BBZ Mölln hat der Kreis Herzogtum Lauenburg nur eine Berufliche Schule. Er ist einer von vier Kreisen ohne die Angebote einer Berufsoberschule und dem BBZ kommt im Verhältnis eine geringere Rolle beim Erwerb einer Hochschulzugangsberechtigung zu als den Beruflichen Schulen in anderen Kreisen (S.9.). Im Kreis Herzogtum Lauenburg wechseln deutlich mehr Kinder im Laufe der Schulzeit von einem Gymnasium auf eine Gemeinschaftsschule als in anderen Kreisen, den umgekehrten Weg gibt es kaum (S.22).
Link zum Bildungsbericht 2020 für Schleswig-Holstein