Konsequenzen für die Kreise Stormarn und Herzogtum Lauenburg erheblich
Ende Januar hat das Bildungsministerium den Entwurf für seinen Masterplan für die Berufliche Bildung in Schleswig-Holstein vorgelegt. In Ausschnitten wurde dieser bereits seit November an den 16 Beruflichen Schulen und den 19 Regionalen Berufsbildungszentren im Land diskutiert. Martin Habersaat, bildungspolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion und Abgeordneter aus Reinbek, begrüßt, dass endlich alle Informationen auf dem Tisch liegen: „Das letzte Jahr endete ein bisschen nach dem ‚Teile und herrsche‘-Prinzip, weil Bildungsministerium und SHIBB vor Ort jeweils nur das vorgestellt haben, was den jeweiligen Standort betraf. Jetzt liegt der komplette Entwurf auf dem Tisch und es wird deutlich, dass wir ein Spiel mit offenen Karten brauchen, wenn wir zu guten Lösungen kommen wollen.“ Die Auswirkungen für die Kreise Stormarn und Herzogtum Lauenburg könnten in Teilen erheblich sein.
In Mölln würden nach dieser Planung beispielsweise keine Bankkaufleute und keine Kaufleute für Groß- und Außenhandel mehr ausgebildet werden, ebenso wie Elektroniker*innen und Bäcker*innen. Rund 80 metallverarbeitende Betriebe im Kreis Stormarn fürchten wiederum, künftig keine Auszubildenden mehr zu finden, weil diese den schulischen Teil ihrer Ausbildung dann in Mölln absolvieren müssten. Angesichts der Bedeutung dieser Betriebe für den wirtschaftsstarken Kreis Stormarn könnte man sich fragen, ob dies nicht ein sogenannter Basisberuf sein könnte. Solche Berufe hat die Landesregierung definiert. Sie bekommen eine Ausstattung mit Lehrkräften auch für geringere Schülerzahlen. Habersaat: „Es erschließt sich nicht, warum es welche Berufe in diese Liste geschafft haben oder eben nicht. Das Friseurhandwerk zum Beispiel gehört dazu, das Bäckerhandwerk nicht. Auch Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte gehören nicht dazu, obwohl uns Justizkreise versichern, diese seien durchaus bedeutsam für ihre Arbeit.“
Habersaats zweiter Kritikpunkt ist, dass die Ausbildungszahlen in den Metallberufen gar nicht so niedrig liegen wie in manchen anderen Berufen, in denen es sicherlich Handlungsbedarf gäbe. Er wirbt dafür, vor einschneidenden Änderungen den Status Quo beizubehalten und Entwicklungen abzuwarten. Habersaat: „Eigentlich hatte das Bildungsministerium so ein Moratorium auch für den Zeitraum zugesagt, in dem der Masterplan entwickelt wird.“ Die Anzahl an Lehrerstellen und damit das Angebot an den Beruflichen Schulen sollten stabil gehalten werden, weil sonst die Schulen zum Abbau von Angeboten gezwungen wären. Diese bekommen ihre Stellen nämlich abhängig von der Zahl der Schülerinnen und Schüler, nicht abhängig von den Ausbildungsgängen. Tatsächlich griff dieses Moratorium aber nur einmalig -zufällig zum Zeitpunkt der letzten Landtagswahl- und sicherte 60 Stellen zum Schuljahr 2022/23.
„Mit Bus und Bahn brauche ich brauche ich von vielen Ecken Stormarns aus zwei Stunden und mehr, um nach Mölln zu kommen. Manche Verbindungen führen mich durch Hamburg. Und das ist mein dritter Kritikpunkt: Eine engere Zusammenarbeit mit Hamburg im Interesse der Hamburger Randkreise war anscheinend bisher kein Teil des Masterplans“, kritisiert der Reinbeker Abgeordnete, auf dessen Bestreben 2016 der gemeinsame Ausschuss für die Länder Hamburg und Schleswig-Holstein und das inzwischen in die Jahre gekommene Gastschulabkommen zurückgehen.
Auch bezüglich des Zeitplans verlangt Habersaat Klarheit. Im jüngsten Papier der Landesregierung heißt es: „Die zeitlich gestaffelte Umsetzung des Masterplans soll ab dem Schuljahr 2024/25 erfolgen.“ Die hieße, die ersten konkreten Schritte würden schon zum 1. August diesen Jahres umgesetzt – anderorts ist aber davon die Rede, verschiedene Beratungen bis zum Herbst weiterzuführen.
Hintergrund:
In den letzten Jahren sind die Schülerzahlen an den Beruflichen Schulen stark gesunken. Weil die Personalzuteilung sich aber bislang nach diesen Zahlen richtet, sank auch diese und die Schulen waren gezwungen, bestimmte Ausbildungsgänge einzustellen. Besonders betroffen war zum Beispiel das „Handwerk um die Ecke“ – angehende Maler*innen, Bäcker*innen und Friseur*innen haben es dadurch weiter zur nächsten Berufsschule. Gleichzeitig stellt der Fachkräftemangel die Wirtschaft in Schleswig-Holstein vor große Herausforderungen. Die Berufsbildenden Schulen stehen zudem vor fachlichen Herausforderungen, da die Dekarbonisierung und der Klimawandel, die Digitalisierung und die Fortschritte bei der Nutzung der Künstlichen Intelligenz gegenwärtig zu einer dynamischen Entwicklung der Berufe führen.
Die Landesregierung hat sich deshalb vorgenommen, einen Masterplan für die Berufliche Bildung in Schleswig-Holstein aufzustellen und die Verteilung der Ausbildung neu zu regeln. Bis dieser Masterplan fertig ist, sollte ein Moratorium die Stellenanzahl und damit das Angebot an den Beruflichen Schulen stabil halten. Der erste Entwurf des Masterplans besagt: Bei 156 Berufen wird kein Änderungsbedarf gesehen. 43 Berufe sollen künftig als sogenannte Basisberufe in den Regionen erhalten und über die eigentlichen Schülerzahlen hinaus ausgestattet werden. Für die verbleibenden 20 Prozent der Berufe sollen jetzt Lösungen in Regionalkonferenzen gefunden werden. Über 4.000 Berufsschüler*innen müssten sich künftig für ihren Beruf eine neue Berufsschule suchen. Manchmal sind die Entfernungen bei einem Blick auf die Karte gar nicht so groß – etwa zwischen Stormarn und dem Kreis Herzogtum Lauenburg, wo Verlagerungen von Ahrensburg nach Mölln geplant sind. Auf diesem Weg führe man aber teilweise mit dem ÖPNV durch Hamburg oder Lübeck an Berufsschulen mit demselben Angebot vorbei. Das ist schwer zu erklären und noch schwerer durchzuhalten. Auch anderswo im Land sind die Verkehre auf die Zentren wie Kiel und Neumünster hin ausgerichtet und gewachsene Strukturen in Wirtschaft und Handwerk in Gefahr. Hinzu kommt: Bildet eine Berufliche Schule in einem Bereich nicht mehr aus, kann sie auch unentschlossene Schüler*innen in diesen Bereich nicht mehr hineinschnuppern lassen, was den regionalen Fachkräftemangel verschärfen könnte. Unzufrieden sind vor allem einige Berufsverbände und einige Standorte über vorgeschlagene Verschiebungen bei den Metallberufen.
Material:
Masterplan Berufliche Bildung – Erster Gesamtentwurf vom November 2023, dem Landtag zugeleitet am 24. Januar 2024
https://www.landtag.ltsh.de/infothek/wahl20/umdrucke/02500/umdruck-20-02582.pdf
Zum Moratorium 2022/23
https://www.landtag.ltsh.de/infothek/wahl20/drucks/00300/drucksache-20-00389.pdf