âRĂŒckfĂŒhrung in Sicherheit und WĂŒrde kann derzeit nicht sichergestellt werdenâ
Nachdem er diesen Schritt grĂŒndlich vorbereitet hatte, hat Innenminister Stefan Studt nun einen zeitlich befristeten Abschiebestopp nach Afghanistan angeordnet. âAus Sicht der Landesregierung Schleswig-Holstein kann derzeit nicht mehr sichergestellt werden, dass ausreisepflichtige afghanische Staatsangehörige unter BerĂŒcksichtigung der völkerrechtlichen Standards in Sicherheit und WĂŒrde zurĂŒckgefĂŒhrt werden könnenâ, sagte Studt. Martin Habersaat, Landtagsabgeordneter aus Reinbek und stellvertretender Vorsitzender der SPD-Landtagsfraktion, ist froh ĂŒber diesen Schritt, der von der CDU scharf kritisiert wurde. Habersaat: âDas unabhĂ€ngige UN-FlĂŒchtlingshilfswerk hat die Sicherheitslage in Afghanistan als angespannt und unklar eingestuft. Der Abschiebestopp ist aus humanitĂ€ren GrĂŒnden notwendig geworden.â
Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Norddeutschland (Nordkirche) und das Diakonische Werk Schleswig-Holstein begrĂŒĂen diesen Schritt der Landesregierung. Bischof Gothart Magaard, Sprengel Schleswig und Holstein der Nordkirche, erklĂ€rte dazu: âGerade die Nachrichten der letzten Tage verdeutlichen erneut: Die Gewalt, der die Menschen in Afghanistan ausgesetzt sind, ist allgegenwĂ€rtig, auch in als ursprĂŒnglich âsicherâ eingestuften Regionen. Sie macht nicht einmal vor Hilfsorganisationen wie dem Roten Kreuz halt, das nach den Morden an sechs seiner Mitarbeiter seine Arbeit in Afghanistan vorerst aussetzen musste.â Er sei Schleswig-Holsteins Innenminister Stefan Studt dankbar fĂŒr seine humanitĂ€re Entscheidung, vorerst keine FlĂŒchtlinge in dieses tĂ€glich von blutigem Terror erschĂŒtterte Land abzuschieben. âAusdrĂŒcklich ermutigen und bestĂ€rken möchte ich ihn in seinem BemĂŒhen darum, dass afghanischen Asylsuchenden auch weiterhin Schutz in Deutschland gewĂ€hrt wird.â
Stefan Studt hatte im Vorfeld den Bundesinnenminister und die Innenminister und -senatoren der LĂ€nder darum gebeten, auf der Grundlage der oben dargestellten Erkenntnisse die bisher vertretene Auffassung zu revidieren, dass die Sicherheitslage in den Zentren des Landes ausreichend beherrschbar sei und innerstaatliche Fluchtalternativen bestĂŒnden. Ein bundesweiter Abschiebungsstopp konnte nicht erreicht werden, einzelne LĂ€nder haben jedoch ihre Abschiebepraxis revidiert.
Von dem Abschiebungsstopp ausgenommen sind Personen, die wegen Straftaten von einigem Gewicht verurteilt worden sind oder die eine besondere Gefahr fĂŒr die innere Sicherheit unseres Landes darstellen. âDiese Menschen können den Schutz unseres Landes nicht in Anspruch nehmenâ, sagte Studt.
Hintergrund:
Der Bundesgesetzgeber hat den LĂ€ndern mit § 60a Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes die Möglichkeit eingerĂ€umt, die Abschiebung von Menschen in bestimmte Staaten aus humanitĂ€ren GrĂŒnden fĂŒr lĂ€ngstens drei Monate auszusetzen.
Aufgrund der aktuell angespannten und teils unklaren Sicherheitslage kann derzeit nicht mehr sichergestellt werden, dass ausreisepflichtige afghanische Staatsangehörige unter BerĂŒcksichtigung der völkerrechtlichen Standards in Sicherheit und WĂŒrde zurĂŒckgefĂŒhrt werden können. Ein Abschiebungsstopp war daher aus humanitĂ€ren GrĂŒnden geboten.
So stellte der Hohe FlĂŒchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR) auf Anfrage der Bundesregierung im Dezember 2016 fest, dass das gesamte Staatsgebiet Afghanistans von einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt betroffen und eine Konkretisierung sicherer Gebiete auf Grund der volatilen Sicherheitslage nicht möglich sei. Meldungen ĂŒber den Anschlag am 7. Februar 2017 auf den Supreme Court in Kabul mit 20 getöteten Zivilisten und der Jahresbericht 2016 der UnterstĂŒtzungsmission der Vereinten Nationen in Afghanistan (UNAMA) mit einem Rekordniveau von zivilen Opfern seit 2009 bekrĂ€ftigen die bestehenden Bedenken.
Die unter den Schutz des Abschiebungsstopps fallenden Menschen bleiben ausreisepflichtig, ihre Ausreise wird aber wĂ€hrend der GĂŒltigkeit des Abschiebestopps nicht erzwungen.
Zum 31. Januar 2017 waren in Schleswig-Holstein knapp 800 afghanische Staatsangehörige ausreisepflichtig. 5.171 Verfahren von in Schleswig-Holstein wohnenden afghanischen Staatsangehörigen waren zu diesem Zeitpunkt noch beim BAMF anhĂ€ngig; in diesen FĂ€llen steht also noch die behördliche Entscheidung und im Anschluss daran ggf. deren gerichtliche ĂberprĂŒfung aus.
Links:
Pressemitteilung der Nordkirche: https://www.nordkirche.de/pressestelle/pressemitteilungen/detail/dankbarkeit-fuer-humanitaere-entscheidung-schleswig-holsteins.html
Pressemitteilung vom 6. Februar zum gleichen Thema: http://www.martinhabersaat.de/themen/sonstiges/fluechtlinge-aus-afghanistan/